Review: Sing a Bit of Harmony

19. Oktober 2022,   
Autor: Patrick Snir

Ob das Zusammenleben von Menschen und künstlicher Intelligenz jemals im harmonischen Einklang funktioniert, ist nach wie vor eine der größten Fragen. Doch ohne es zu versuchen, wird man niemals zu einem Ergebnis kommen. Nach Time of Eve: The Movie (2010) und Patema Inverted (2013) kam mit Sing a Bit of Harmony im Oktober 2021 ein neuer Original-Anime von Regisseur Yasuhiro Yoshiura in die japanischen Kinos. Der Coming-of-Age-Film stellt diese Thematik in den Fokus und hat nur ein Ziel: Alle glücklich zu machen. Patrick Snir

ACHTUNG: Jegliche Aussagen in diesem Review reflektieren lediglich die persönliche Meinung des Autors und nicht (!) die von PattoTV und seiner Partner.


„Bist du gerade glücklich?“

Satomi Amano lebt zusammen mit ihrer Mutter in Keibu, einer japanischen Kleinstadt, die das Technologieunternehmen Hoshima als Testgelände für mehrere KI-gesteuerte Systeme und Roboter nutzt. Egal ob das Steuern von Haushaltsgeräten oder anderen Technologien – Sprachassistenten und KI-Systeme sind bereits ein fester Bestandteil der Menschheit geworden. Während der Alltag faktisch leicht zu regeln wäre, ergeht es Satomi nicht so. Als introvertierte Schülerin wird sie von ihren Mitschülern gemieden und hat sich von ihrem einst guten Jugendfreund Tо̄ma entfremdet.

Unterdessen bereitet ihre Mutter, die bei Hoshima als KI-Spezialistin angestellt ist, einen geheimen Test eines neu entwickelten KI-Prototyps vor. Ziel dieses Versuchs ist es, die KI in einem realistisch aussehenden Körper als Austauschschülerin Shion Ashimori ein paar Tage in Satomis Klasse unterzubringen. Dabei soll sie sich natürlich und unauffällig benehmen, sodass diese von einem Menschen nicht zu unterscheiden ist.

Doch schon am ersten Schultag gerät dieser Versuch schnell aus dem Ruder, da Shion die Angewohnheit hat, plötzlich in ein Lied einzusteigen und schließlich vor Augen der fünf Schüler Satomi, Tо̄ma, Gocchan, Aya und Thunder eine Fehlfunktion hat. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten beschließen alle kurzerhand das Experiment zu vertuschen, um Satomis Mutter zu schützen.

In den darauffolgenden Tagen ist Shion bestrebt, Satomi glücklich zu machen. Sie unterstützt Satomi dabei, Freundschaften zu schließen, hilft ihren Freunden bei Problemen und bringt Satomis Beziehung zu Tо̄ma wieder in Gange – alles mit der Kraft des Gesangs. Zwischenzeitlich wird offensichtlich, dass jemand auf mysteriöse Weise die Aufzeichnungen des Sicherheitssystems in der Schule und die Telemetrieergebnisse von Shion manipuliert, um Shions unkonventionelles Verhalten vor Hoshima zu verbergen. Als die Firma schließlich davon Wind bekommt, droht die Vernichtung und Einstellung des Experiments. Doch Satomi und ihre Freunde beschließen, sie zu retten, und Shions geheimnisvolle Verbindung zu Satomi wird aufgedeckt.

Bild und Animation

Sing a Bit of Harmony (jap. Ai no Utagoe o Kikasete) wurde im Studio J.C.Staff (u. a. Toradora!, DanMachi und Golden Time) unter der Regie von Yasuhiro Yoshiura, der zusammen mit Ichirō Ōkouchi auch das Drehbuch verfasste, produziert. In Japan feierte der Coming-of-Age-Anime am 29. Oktober 2021 seine Premiere, bevor dieser am 26. Juli 2022 durch Crunchyroll (ehemals KAZÉ Anime) in die Kinos kam. Voraussichtlich am 1. Dezember 2022 erfolgt eine Home-Video-Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray.

Visuell besticht der Original-Anime über die gesamte Dauer mit atmosphärischen und farbgewaltigen Bildern. Insbesondere durch die vielen, kleinen Details im Bild und dem intelligenten Zusammenspiel von Licht, Schatten und Reflektionen zeichnet sich Studio J.C.Staff erneut mit einer hochwertigen Produktion aus. Jede Sequenz befindet sich nicht nur auf einem spektakulären Niveau, sondern sorgt auch für einen genussvollen Augenschmaus.

Das originale Charakterdesign von Kanna Kii harmoniert mit dem schönen pastell- und aquarellartigem Setting, die von Shuichi Shimamura mehr als solide für die Animation adaptiert wurden. Darüber hinaus tragen auch die Animationen zum gelungenen Arrangement bei und wissen mit ihrer flüssigen, modernen Kameraführung zu überzeugen.

Deutsche Umsetzung und Musik

Crunchyroll brachte Sing a Bit of Harmony nicht nur in der japanischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln ins Kino, sondern wahlweise auch mit deutscher Synchronisation. Diese entstand in den Oxygen Sound Studios in Berlin, für die Bartosz Bludau sowohl das Dialogbuch schrieb als auch die Dialogregie übernahm. Auch wenn die Songs leider nicht auf Deutsch gesungen wurden, ist die Besetzung des deutschen Casts großartig.

Jede einzelne Stimme aus dem Quintett schafft es, die unterschiedlichen Persönlichkeiten gekonnt umzusetzen. Im Kollektiv gelingt es unter anderem Johanna Schmoll als Satomi oder Patrick Keller als Tо̄ma, die Charakterentwicklung auch audiovisuell zu bestärken. Ebenfalls hervorheben möchte ich Lin Gothoni, die Shion ihre Stimme leiht und ebenfalls eine ausgezeichnete Leistung erbringt. Als Sängerin wäre es bestimmt kein Problem für Gothoni gewesen, die Lieder auf Deutsch zu singen. Bedauerlicherweise hat man sich dagegen entschieden, weshalb der Flair bei den abrupten Songs etwas verloren geht.

Die orchestral eingespielten Musikstücke, die die Handlung aktiv begleiten, sowie die einfühlsamen Lieder gesungen von der japanischen Sprecherin Tao Tsuchiya sind das Highlight des Kinofilms. Ryo Takahashis prägnante Kompositionen geben dem Zuschauer das Gefühl eines Musicals à la Disney, das durch den exzellenten Gesang von Tao Tsuchiya bestärkt wird. Durch die geringe Anzahl an Liedern und deren teilweise eingängige Melodie fehlt zwar noch einiges bis zu einem richtigen Musical, aber die Richtung stimmt.

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Fazit

Sing a Bit of Harmony hat ein erstaunlich gutes Tempo und die Stärke, Schwierigkeiten sowie Unsicherheiten jeder Person mit einer Art von Dramaturgie zu beleuchten. Diese werden allerdings immer nur kurz angeschnitten, weshalb sich die Themen in der Handlung etwas in Komplexität verlieren.

Fast wie in einem Theaterstück, ist der Anime-Film in zwei Akte respektive Hälften unterteilt, die ihren Sinn haben. Während sich der Zuschauer am Anfang mit der Sympathie der Charaktere anstecken soll, wird er ab der Hälfte in ein Meer der Gefühle gestürzt. Das ist Yasuhiro Yoshiura auch vor allem zu Ende hin erstaunlich gut gelungen. Jedoch fehlt der Handlung die gewisse Tiefe, um nach einer Laufzeit von rund 108 Minuten den Zuschauer voller Begeisterung zurückzulassen. Zudem lassen sich gewisse Ähnlichkeiten mit Filmen wie Baymax – Riesiges Robowabohu von Disney oder Ron läuft schief von Locksmith Animation erkennen.

Anders sieht es in puncto Bild und Animation aus, denn hier kann Sing a Bit of Harmony durch die atmosphärischen und detailreichen Bilder sowie der flüssigen Animation auf ganzer Linie überzeugen. Damit hat das Studio J.C.Staff ein weiteres Mal bewiesen, dass sie erstaunliche Werke produzieren können. Die unterschiedlichen Settings bringen zusätzlich eine willkommene Abwechselung zu statischen Schulsettings und schöpfen so die maximale Farbgewalt des Films aus. Darüber hinaus erhalten wir eine gelungene deutsche Synchronisation, die mit dem Original mithalten kann.

Das Highlight in Sing a Bit of Harmony ist die Musik von Ryo Takahashi, die den Film über die gesamte Dauer hinweg mit charmanten und griffigen Kompositionen begleitet. Durch den Gesang von Tao Tsuchiya wird zusätzlich das Gefühl eines Musicals versprüht, auch wenn sich die Lieder thematisch sehr ähneln. Damit ist Sing a Bit of Harmony trotz seiner fehlenden Originalität definitiv ein sehenswürdiger Anime-Film mit kurzweiliger Unterhaltung für alle Altersgruppen.

Kurzfazit 

Sing a Bit of Harmony ist ein herzergreifender Coming-of-Age-Film, der mit einer ausgezeichneten Filmmusik à la Disney den Zuschauer glücklich macht. Durch die gute Arbeit von Studio J.C.Staff ist der Original-Anime nahezu ein visuelles Meisterwerk.

Bilder: ©YASUHIRO YOSHIURA BNArts,SBH Production Committee.

Pro

  • Farbgewaltige Bilder
  • Grandiose Animation
  • Deutsche Synchronisation

Contra

  • Thematik verliert sich in Komplexität
8.5
10
Story:
Bild und Animation:
Deutsche Umsetzung:
Musik:
Themen:
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