Die Beschwörung von Helden in eine von Zerstörung bedrohten, fremden Welt ist so beliebt in Isekais, dass Handlungen dieses Genres gerne so beginnen. Doch was, wenn jene Helden überraschend nicht zum Kämpfen beschworen wurden, sondern als Helfer für den Wiederaufbau eines Königreichs dienen sollen? Damit beschäftigt sich How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom, ein neuer Anime aus dem Studio J.C.Staff, der nach seiner Premiere im Sommer 2021 nun hierzulande durch polyband anime auf Disc erscheint. Patrick Snir
ACHTUNG: Jegliche Aussagen in diesem Review reflektieren lediglich die persönliche Meinung des Autors und nicht (!) die von PattoTV und seiner Partner.
Ein Held wird gesucht …
„Gründe eine Familie und wache immer über Sie, was auch passiert“ – das ist der letzte Wille von Sōmas Großvater, bevor er verstorben ist. Der 18-jährige Sōma Kazuya absolviert gerade seine Ausbildung zum Beamten und weiß noch nicht, welches Schicksal ihn schon sehr bald ereilen wird. Währenddessen müssen sich König Albert von Elfrieden und seine Vasallen in einer fremden Welt im Königreich Elfrieden mit finanziellen Schwierigkeiten herumschlagen, weil es Kriegshilfsgelder an das Grand Chaos Imperium zahlen soll. Das mittelalterliche Königreich auf dem Kontinent Landia bevölkern neben Menschen, Elfen, Zwergen und Drachenhütern verschiedene Spezies, die Reiche in unterschiedlichsten Größen errichtet haben.
Vor zehn Jahren strömten aus dem Raum namens Pandämonium am nördlichen Ende des Reiches unzählig viele Monster heraus und stürzten die Länder des Nordens in Chaos. Alle verbliebenen Königreiche wehrten sich in einer Allianz um das größte Land, Grand Chaos Imperium, gegen die Invasion. Wie kostspielig der Unterhalt von Armeen allerdings ist, unterschätze Elfrieden und will nun einer alten Prophezeiung nachgehen und mit Sōma einen „Helden“ aus einer anderen Welt beschwören. Statt jedoch gegen Monster zu kämpfen und das Königreich vor dem Untergang zu bewahren, soll Sōma dem Grand Chaos Imperium als Tribut übergeben werden, anstatt Gold zu verkaufen. Sōma kann König Albert von Elfrieden noch überreden, ihn stattdessen anderweitig als Unterstützung zu behalten.
Die Hoffnung des Königreichs
Als versierter Beamter möchte Sōma Kazuya das Königreich Elfrieden aus der finanziellen Notlage helfen. Nur drei Tage reichen aus, um alles über das Reich und die aktuelle Wirtschaftslage von Elfrieden zu lernen. Ehe er sich versieht, wird Sōma dank seines Wissens und seiner Sprachfertigkeit von Albert zum neuen König ernannt. Liscia, die Tochter des Königspaars und Kronprinzessin des Reiches, ist felsenfest davon überzeugt, dass Sōma ein Verbrecher ist und alles noch weiter in die Krise stützt, muss jedoch schnell feststellen, dass das genaue Gegenteil auf ihn zutrifft und er als Realist bereits praktische, durchdachte Pläne umsetzen konnte.
Weil aber die Kapazitäten seiner Vasallen ausgeschöpft sind, sucht Sōma nun nach Talenten unter seinem Volk, woraufhin die Dunkelelfin Aisha, die Sängerin Juna, der intelligente Hakuya und der liebenswerte Poncho ihm zur Seite stehen. Der Thronwechsel spricht sich selbstverständlich auch in allen weiteren Königreichen herum, weshalb Sōma gleich dreien rebellierenden Herzöge, die ihn nicht als neuen Herrscher akzeptieren wollen, ein Dorn im Auge ist. Als neuer König muss sich Sōma wohl erst noch beweisen …
Bild und Animation
How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom (jap. Genjitsu Shugi Yūsha no Ōkoku Saikenki) adaptiert die gleichnamige Light-Novel-Reihe von Autor Dojyomaru und Illustrator Fuyuyuki. Das Studio J.C.Staff, das bereits für Serien wie Toradora! oder DanMachi verantwortlich war, übernahm unter der Regie von Takashi Watanabe die Produktion des Isekai-Animes. Die TV-Premiere der 13-teiligen ersten Hälfte erfolgte zwischen Juli und September 2021 in Japan, während Crunchyroll sie im Simulcast zeigte. Seit der Winter-Season 2022 läuft Part zwei sowohl im japanischen TV als auch auf Crunchyroll.
In den ersten Episoden bereits kann die Anime-Adaption eine schöne visuelle Umsetzung vorzeigen, die sich in der hochauflösenden Blu-ray-Fassung entfalten kann. Neben einem weiten Spektrum an Farben, die das Bild in allen Szenen atmosphärisch und wertig wirken lassen, scheute das Studio keine Mühen um die Hintergründe detailliert zu gestalten und diesen damit eine gewisse Tiefe zu verleihen. Das Charakterdesign von Mai Otsuka fügt sich dabei sehr gut in die geschaffene mittelalterliche Kulisse, das insbesondere durch das grandiose Kostümbild hervorsticht. Jedoch ist der Produktion teilweise die finanzielle Grenze anzumerken, die sich in der enttäuschenden Animation widerspiegelt: Viele statische Bilder, nur übliche Bewegungen und unreife Perspektivenwechsel schmälern den Eindruck. Damit stehen die technischen Arbeiten den künstlerischen arg im Wege, die noch ihr Gleichgewicht erzielen müssen.
Deutsche Umsetzung und Musik
Für die deutsche Umsetzung von How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom beauftragte polyband die DMT Digital Media Technologie GmbH in Hamburg, bei der Toni Michael Sattler die Dialogregie übernahm und Katharina von Daake das Dialogbuch beisteuerte, die zudem auch die deutsche Stimme der Kronprinzessin und Protagonistin Liscia Elfrieden ist. Schon im Staffelauftakt entpuppt sich die deutsche Synchronisation als besonders qualitativ.
In erster Linie überzeugen Marco Rosenberg und Katharina von Daake in ihren jeweiligen Hauptrollen als Sōma Kazuya und Liscia Elfrieden. Denn beide passen nicht nur stimmlich zu ihren Rollen, sondern können auch deren Charaktereigenschaften perfekt wiedergeben. Entsprechend ist auch das Dialogbuch, das sehr nah an seinem Original gehalten ist und zum Teil die Diskrepanz zwischen Moderne und mittelalterlichen Epoche im Sprachgebrauch aufnimmt. Zudem will ich die Performance von Nadine Schreier loben, die als Juna Douma ein ganzes Lied a cappella auf Deutsch gesungen hat. Das ist nicht selbstverständlichen in Anime-Serie! Alle weiteren Synchronsprecher beweisen teilweise ebenfalls dieselbe Qualität, weshalb es bislang keinerlei Kritik gibt. Für alle, die How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom lieber in der japanischen Originalfassung sehen wollen, können dies mit der auf der Disc enthaltenen OmU-Fassung ohne Probleme tun.
Darüber hinaus wird die Handlung von der grandiosen Musik von Akiyuki Tateyama untermalt, die jene mit unterschiedlichen orchestralen sowie akustischen Soundtracks stimmig aufwertet und dabei nicht zu aufdringlich wird. Das Opening (Hello Horizon von Inori Minase) ist ein energischer Beginn in die Folgen, während das Ending (Kazanear von Aimi) einen ruhigen Ausklang bildet.
Fazit
How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom möchte schon zu Beginn zeigen, dass man kein typischer Isekai-Anime ist, obwohl man sich an zahlreichen Klischees bedient. Doch bereits der Titel revidiert diese und verrät, was Dojyomarus Novel von anderen Isekais unterscheidet: Anstatt sich dem Kampf gegen Dämonen und anderen bedrohlichen Kreaturen, die das Reich versuchen einzunehmen, zu widmen, soll der Held das Königreich aus der finanziellen Misere bringen und die Hungersnot bekämpfen. Damit die Story aber nicht durch Wirtschaft und Politik zu eintönig wirkt, wird diese gelegentlich mit Humor aufgelockert, der zur angenehmen und kurzweiligen Unterhaltung beisteuert. Das Herzstück von How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom sind definitiv die sympathischen Figuren, die trotz ihrer unterschiedlichen Eigenschaften, eine Einheit bilden.
Die Feinde und Gefahren, von denen gesprochen wird, sind allerdings bislang nicht illustriert und haben keinerlei Präsenz in der aktiven Handlung, obwohl sie eine fürchterliche Bedrohung suggerieren. Darüber hinaus ist auch die Auswirkung der Hungersnot auf die Bürger kaum zu erkennen, wenn man eigentlich sieht, wie harmonisch und zufrieden das Volk in den kurzen Sequenzen lebt. Hier hat man sich meiner Meinung nach schon zu Anfang selbst ins eigene Fleisch geschnitten und der Story einem (vielleicht) nicht gewollten Paradoxon unterzogen. Wie sich das in den kommenden Episoden auswirkt oder gegebenenfalls ändert, muss abgewartet werden, zumal nach der vierten Episode ein gewisser Abschwung in der Story bemerkbar ist, der dem gemütlichen Pacing und der daraus resultierenden teils abweichenden Handlung geschuldet ist. Nichtsdestoweniger schaffen es nur wenige Anime-Serien, Informationen zur Handlung, Charakteren und dergleichen so kompakt unterzubringen wie How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom.
Ordentlich aufholbedarf hat die Anime-Serie auch in puncto Animation, die bestenfalls solide ist und nicht so überzeugt wie die restliche visuelle Umsetzung. Keinerlei Kritik gibt es hingegen bei der deutschen Synchronisation, die im ersten Volume die mögliche Qualität und ein hohes Niveau demonstriert. Ebenso wenig Defizite gibt es bislang bei der musikalischen Untermalung, die durch Akiyuki Tateyama beigesteuert wurde. Auf die Fortsetzung im zweiten Volume bin ich schon sehr gespannt!
Kurzfazit
How a Realist Hero Rebuilt the Kingdom präsentiert sich in den ersten Episoden als unterhaltsamer Anime und begrüßenswerte Abwechslung zu allen bisherigen Isekai-Serien, der sich dem Aufbau eines Königreichs widmet und mit liebenswerten Charakteren begeistert.
Bilder: ©DOJYOMARU,OVERLAP/“GENKOKU“ Production Committee.
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