Einzeln beeindruckend, gemeinsam unaufhaltsam. Samurai üben bis heute eine große Faszination aus. Kein Wunder also, dass sich in den letzten Jahren einige Spiele dieses Themas angenommen haben. So auch Rise of the Rōnin von Sony Interactive Entertainment und Team Ninja, das am 22. März 2024 für die PlayStation 5 erschienen ist. Ich habe das historische Action-RPG gespielt, um herauszufinden, ob es ein würdiger neuer Eintrag in die Annalen der Samurai-Spiele ist. Pascal Walther
ACHTUNG: Jegliche Aussagen in diesem Review reflektieren lediglich die persönliche Meinung des Autors und nicht (!) die von PattoTV und seiner Partner.
Japan am Scheideweg
Die 1850er Jahre. Japan steht seit über 300 Jahren fest unter der Herrschaft des Tokugawa-Shogunats. Doch langsam zeigen sich Risse im Joch des Shoguns. Rebellen schicken sich an, die alte Ordnung wiederherzustellen und den Kaiser wieder an die Spitze Japans zu stellen. Doch damit nicht genug: Am Horizont streckt eine fremde Macht von jenseits des Meeres ihre Finger nach Japan aus. Die USA streben nach Einfluss in Japan und wollen das Shogunat mit ihren schwarzen Schiffen dazu bringen, sich dem internationalen Handel zu öffnen.
In diesen turbulenten Zeiten agieren die sogenannten Zwillingsklingen, Mitglieder der Verborgenen Schneide, einer Widerstandsgruppe, die gegen das Shogunat kämpft. Im Jahr 1853 erhalten sie von ihrer Meisterin, der Klingenschmiedin, den Auftrag, Commodore Matthew Perry, den Anführer der Flotte der Schwarzen Schiffe der Vereinigten Staaten, zu töten. Zugleich sollen sie ein Dokument beschaffen, das sich in seinem Besitz befindet. Auf den ersten Blick scheint der Auftrag für die Twin Blades einfach, doch es kommt anders. Perry ist ein stärkerer Gegner als erwartet, und er bekommt Hilfe von einem mysteriösen Krieger: dem Blauen Dämon. Dieser wendet das Blatt zu Perrys Gunsten und schlägt einer der beiden Zwillingsklingen den Arm ab. Die andere stürzt ins Meer und lässt ihn im Ungewissen über das Schicksal ihres Zwillings.
Fünf Jahre später sucht die verbliebene Klinge in Yokohama immer noch nach ihrem verlorenen Zwilling. Dabei wird sie in einige Schlüsselereignisse der japanischen Geschichte verwickelt und trifft auf neue Verbündete und alte Feinde, die zu Freunden werden könnten. Vor allem aber ist es die Suche nach ihrem Zwilling, die sie antreibt. Doch viele Fragen bleiben offen, darunter auch die nach der Identität des mysteriösen Blauen Dämons. Wird die verbliebene Klinge am Ende wieder mit ihrem Zwilling vereint oder werden die turbulenten Ereignisse am Ende des Shogunats die beiden für immer trennen?
Das alte Japan erwacht zum Leben
Rise of the Rōnin hat große Erwartungen zu erfüllen, wurde es doch von Anfang an mit einem älteren Spiel verglichen, dem überaus erfolgreichen Ghost of Tsushima aus dem Jahr 2020. Um es vorwegzunehmen, Rise of the Rōnin kann diesem nicht ganz das Wasser reichen. Das macht es aber nicht zu einem schlechten Game.
Das Gameplay ist ähnlich wie bei Ghost of Tsushima sehr frei. Als Spieler kann man eine sehr große Open World erkunden. Diese bildet in weiten Teilen das Japan der 1850er und 1860er Jahre detailgetreu nach. Besonders hervorzuheben sind die urbanen Landschaften von Yokohama und Edo (Tokyo). Die Städte wurden mit viel Liebe zum Detail erstellt, so dass die Geschichte beim Spielen wirklich lebendig wird. Die freie Spielweise des Games ist dabei sehr hilfreich. Man kann sich alle Zeit der Welt nehmen, um die Städte und das Umland zu erkunden, ohne vom Spiel daran gehindert zu werden.
In gewisser Weise wird dies sogar gefördert, da es überall „Sehenswürdigkeiten“ zu entdecken gibt. Zu diesen kann man dann Informationen und Hintergründe erfahren. Auch über die vielen historischen Persönlichkeiten, denen man im Laufe des Spiels begegnet, lassen sich Details nachlesen. Diesen enzyklopädischen Charakter teilt Rise of the Rōnin auch mit Ghost of Tsushima. Was in diesem Spiel jedoch stärker zur Geltung kommt, ist der soziale Faktor.
So ist es zum Beispiel möglich, den Gefährten, denen man begegnet, Geschenke zu machen. Diese und andere Handlungen beeinflussen das Verhalten der Freunde gegenüber der Zwillingsklinge. Je nachdem, welche Entscheidungen man trifft, kann man auch verschiedene Handlungsstränge erkunden. Allerdings hatte ich oft das Gefühl, dass die Auswirkungen der Entscheidungen eher gering sind. Trotzdem erhöhen sie für mich den Grad des Eintauchens in die Geschichte.
Von Schwertkämpfen und Katzen
Neben der Open World an sich lebt das Spiel natürlich auch von seinen Kämpfen. Diese bieten eine hohe Dynamik und sind selbst im leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade kein Selbstläufer. Mir persönlich waren die Kämpfe selbst auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad teilweise zu schwer. Das macht zwar in gewisser Weise einen Reiz des Spiels aus, aber von einem Setting, das als „Story Mode“ beworben wird, erwarte ich keine allzu herausfordernden Gefechte.
Die Steuerung selbst ist auf den ersten Blick etwas komplex, zumal je nach Situation schnell der Kampfstil gewechselt werden muss, was bei zu langem Zögern meist mit einem Kill bestraft wird. Die Auswahl an Skills und Kampfstilen selbst ist sehr umfangreich, wenngleich anfangs nur einer zur Verfügung steht und die anderen schrittweise erspielt werden müssen. Der Trend zur Vielfalt setzt sich auch bei unserer Character Creation in Rise of the Rōnin fort.
Zu Beginn hat der Spieler die Möglichkeit, die beiden Zwillingsklingen nach Belieben zu gestalten. Von der Haarfarbe über die Körpergröße bis hin zu Tätowierungen ist alles möglich. Das Geschlecht wird zu Beginn der Story festgelegt, je nachdem für welche der beiden Zwillingsklingen man sich entscheidet. Auf die Story selbst hat das, abgesehen von den Cutscenes, keinen großen Einfluss. Ich selbst habe mich für die weibliche Figur entschieden, weil mir ihr Design am besten gefiel.
Auch außerhalb der Kämpfe bietet das Spiel abwechslungsreiche Unterhaltung. So fand ich es besonders toll, die ganzen Katzen zu finden, die sich überall versteckt hatten. Manchmal waren sie an den unmöglichsten Orten versteckt, wie zum Beispiel auf Türmen oder auf Booten. Eine willkommene Abwechslung zu den normalen Kämpfen bot auch die Möglichkeit, mit einem Gleiter durch die Lüfte zu schweben und sich als Assassine von Dach zu Dach zu schwingen. Wer also gerne die Welt eines Spiels erkundet, kann hier viele Stunden damit verbringen, alles zu erforschen.
Durchzogene Grafik mit guter Story
Rise of the Rōnin wurde von Team Ninja entwickelt und wird von Sony Interactive Entertainment vertrieben. Das Spiel ist seit dem 22. März 2024 ausschließlich für die PlayStation 5 erhältlich und ist mir einer UVP von 79,99 EUR im Handel erhältlich.
Grafisch bewegt sich das Spiel zwischen hervorragend und mittelmäßig. Der Schwerpunkt der Grafik liegt eindeutig auf der Landschaft, die automatisch alle Tageszeiten durchläuft. Es ist leicht, sich in der detailreichen Szenerie zu verlieren, was durch das Vorhandensein eines Fotomodus noch verstärkt wird. So schön die Landschaften und vor allem die Städte auch sind, so problematisch sind manchmal die Menschen, die sie bevölkern. Beim Rendering der Charaktere fällt besonders auf, dass diese oft etwas fehlerhaft wirken, was den Schattenwurf betrifft. Dies führt dazu, dass auch der Protagonist oft zu planar erscheint.
Zwar lässt sich hier mit den Grafikeinstellungen ein wenig entgegenwirken, aber ich habe den Eindruck, dass hier nicht die volle Leistungsfähigkeit der PlayStation 5 hinsichtlich der Grafik ausgenutzt wurde. Das ist besonders schade, wenn man bedenkt, dass gerade das verwandte Ghost of Tsushima gezeigt hat, was auf dieser Konsole alles möglich ist.
Doch trotz oder vielleicht gerade wegen der grafischen Unzulänglichkeiten ist Rise of the Rōnin immer noch ein sehr unterhaltsames Game. Dazu trägt auch die hochwertige japanische Synchronisation des Spiels bei, die ihresgleichen sucht. Die begleitenden deutschen Untertitel sind ebenfalls von hoher Qualität und geben das Gesagte in den meisten Fällen sinngemäß wieder. Musikalisch kann das Spiel nicht ganz glänzen. Der Soundtrack ist zwar keineswegs schlecht, stellt aber nicht den Kern des Spielerlebnisses dar. Mir persönlich ist die Musik daher bis auf die Melodie in der Titelsequenz nicht sonderlich in Erinnerung geblieben.
Fazit
Wie fällt nun das Fazit aus? Nun, Rise of the Rōnin ist insgesamt ein in sich gelungenes Spiel, das trotz aller Mängel ein angenehmes Spielerlebnis bieten kann. Die Welt Japans in der Mitte des 19. Jahrhunderts wird auf schöne Art und Weise wiedergegeben, wobei man auch einige historische Fakten vermittelt bekommt. Allerdings ist die Grafik manchmal etwas zu dürftig, vor allem bei den Charakteren. Die Kämpfe sind selbst auf einfachem Niveau herausfordernd und manchmal frustrierend.
Was die Story betrifft, so bietet das Spiel eine an sich spannende Handlung, die aber manchmal etwas langatmig wirkt. Die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, ist ein interessantes Feature, hat aber meist wenig Einfluss auf das weitere Geschehen. Auch der Soundtrack wirkt eher unscheinbar, ist aber trotzdem gut gelungen. Trotz aller Mängel ist Rise of the Rōnin ein größtenteils gelungenes Spiel, das vor allem Fans des alten Japans sicherlich gefallen wird.
Kurzfazit
Rise of the Rōnin ist trotz einiger Mängel ein Spiel, das jedem Japan-Fan empfohlen werden kann. Die Story bietet viele unterhaltsame und auch lehrreiche Stunden.
Bilder: © 2024 KOEI TECMO GAMES CO., LTD. Rise of the Ronin ist ein Warenzeichen von KOEI TECMO GAMES CO., LTD.
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