Wofür lebst du eigentlich? Diese zutiefst existenzielle Frage steht im Mittelpunkt von Summer Ghost, einem Kurzfilm von loundraw. Seit dem 26. Januar 2023 ist der Film bei KSM Anime erhältlich. Ich bin der Frage nachgegangen, ob man dem Film trotz seiner kurzen Laufzeit eine Chance geben sollte. Pascal Walther
ACHTUNG: Jegliche Aussagen in diesem Review reflektieren lediglich die persönliche Meinung des Autors und nicht (!) die von PattoTV und seiner Partner.
Zwischen Leben und Tod
Tomoya, Aoi und Ryō sind drei Jugendliche, die sich online kennengelernt und sich auf der Suche nach einem bestimmten Geist angefreundet haben. Dabei handelt es sich um den sogenannten Summer Ghost, den Geist eines Mädchens, das angeblich Selbstmord begangen hat. Die drei haben unterschiedliche Gründe, nach dem Geist zu suchen, aber eines haben sie gemeinsam: Nur wer kurz vor dem Tod steht, kann den Summer Ghost sehen. Doch keiner der drei kennt den Hintergrund des anderen, warum sie dem Tod so nahe sind. Gemeinsam machen sich Tomoya, Aoi und Ryō auf den Weg zu dem abgelegenen, verlassenen Flugplatz, auf dem das Geistermädchen erscheinen soll. Dort angekommen, versuchen sie, den Geist mit Handfeuerwerk herbeizurufen, denn Feuerwerk soll die Seelen der Toten besänftigen.
Zunächst passiert nichts, doch als sie das letzte Feuerwerk abbrennen, steht plötzlich tatsächlich ein Mädchen vor ihnen. Zuerst sind die drei etwas schockiert, dass es den Geist wirklich gibt, aber dann nutzen sie die Gelegenheit, um ihm ihre Fragen zu stellen. Denn genau darum geht es. Die Erzählung von Summer Ghost besagt, dass er jede Frage über den Tod beantworten kann. Also stellen die drei ihre Fragen, aber vor allem Tomoya scheint damit nicht wirklich zufrieden zu sein. Dennoch verschwindet das Geistermädchen nach der Beantwortung der Fragen und die drei machen sich auf den Heimweg.
Verschwommene Grenze
Der Gedanke an den Summer Ghost lässt Tomoya jedoch nicht los, und so beschließt er, noch einmal allein dorthin zu gehen, um ihn herbeizurufen. Doch als ihm der Geist erneut erscheint, weiß Tomoya nicht so recht, was er tun soll. Summer Ghost, die eigentlich Ayane Satō heißt, beschließt, Tomoya etwas zu zeigen. Sie trennt seine Seele von seinem Körper und verwandelt ihn so in einen Geist.
Ayane nimmt ihn mit auf einen Flug durch die Lüfte. Anfangs ist Tomoya noch etwas unbeholfen und schafft nichts ohne Ayanes Hilfe. Doch er kommt immer wieder zu ihr zurück und gewöhnt sich mit jedem Mal mehr daran, als Geist zu existieren. Doch das hat nicht nur gute Seiten, denn vor lauter Erfüllung in seinem Dasein als frei schwebender Geist vergisst Tomoya langsam, richtig zu leben. Wird er am Ende sein Dasein als Geist über das als Mensch stellen?
Außerdem hat Ayane ein Geheimnis, das alles verändern könnte, wenn es ans Licht käme. Doch um Ayane zu helfen, braucht Tomoya die Hilfe seiner beiden Freunde.
Bild und Animation
Summer Ghost ist eine Original-Story von Hirotaka Adachi. Für die Anime-Produktion führte Loundraw die Regie im Flat Studio. Der Kurzfilm kam am 12. November 2021 in die japanischen Kinos und feierte am selben Tag seine Premiere auf dem Leeds International Film Festival in England. KSM Anime sicherte sich die Lizenz und veröffentlichte Summer Ghost am 26. Januar 2023 auf DVD und Blu-ray.
Summer Ghost ist deutlich anzumerken, dass viel Herzblut in die Produktion geflossen ist. Die Animation ist zwar nicht die beste, aber vor allem die opulenten Landschaftsaufnahmen bezaubern. Auch die Ausleuchtung dieser Landschaften, vor allem in der Dämmerung, ist sehr gut gelungen. Die Charaktere sind detailliert ausgearbeitet und die wechselnden Emotionen werden gut vermittelt. Allerdings ist der Animationsstil an sich etwas gewöhnungsbedürftig, da er manchmal etwas zu simpel wirkt. Jedoch gewöhnt man sich schnell an diesen eigenwilligen Stil, der meiner Meinung nach zum Charme des Kurzfilms beiträgt. Alles in allem weist Summer Ghost trotz seiner kurzen Laufzeit eine durchweg gute Animationsqualität auf.
Deutsche Umsetzung und Musik
Die deutsche Synchronfassung von Summer Ghost wurde vom Studio Kölnsynchron unter der Regie von Daniel Käser produziert, der auch das Dialogbuch verfasste. Insgesamt sind acht Sprecherinnen und Sprecher zu hören.
Besonders hervorzuheben ist Josephine Martz, die Ayane ihre Stimme leiht. Sie kommt der japanischen Originalstimme von Rina Kawaei sehr nahe. Gleiches gilt für die anderen Sprecher der Protagonisten. So gelingt es beispielsweise Ben Hadad in seiner Rolle als Tomoya, dem Originalton sehr nahe zu kommen. Kurz gesagt: Die Synchronisation kann mit einer durchweg guten Qualität punkten.
Die Filmmusik wurde von einem Quartett bestehend aus Akira Kosemura, Itoko Tama, Guiano und Hideya Kojima komponiert. Die klassisch angehauchte Musik trägt wesentlich zum Gesamterlebnis der Geschichte bei, obwohl die Musik keineswegs im Mittelpunkt der Handlung steht. Sie verleiht dem Film jedoch trotz seiner relativen Kürze eine spürbare Prägnanz.
Fazit
Summer Ghost ist eine eindringliche Geschichte über den Wert und den Sinn des Lebens. Es mag den Anschein haben, dass der Film versucht, eine Antwort auf die grundlegende Frage zu geben: Was ist der Sinn des Lebens? Aber das ist nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um eine zutiefst emotionale Hommage an das Leben selbst. Die relative Kürze des Films schmälert diese Tiefe allerdings ein wenig. In der knappen dreiviertel Stunde Laufzeit fällt es schwer, eine stärkere emotionale Bindung zu den Charakteren aufzubauen, was die emotionale Wirkung der Geschichte etwas mindert. Das war zumindest mein persönlicher Eindruck. Das heißt aber nicht, dass mich die Figuren nicht berührt haben, denn das war trotz der Kürze der Fall.
Auch die Animation hinterlässt einen bleibenden Eindruck, vor allem die wunderschönen Landschaftsbilder. Alles in allem erzählt Summer Ghost eine bewegende Geschichte mit einem bittersüßen Finale, die es verdient hätte, als abendfüllender Spielfilm adaptiert zu werden.
Kurzfazit
Summer Ghost ist ein zutiefst emotionaler, wenn auch etwas kurzer Film, dem man trotz seiner Kürze eine Chance geben sollte.
Bilder: © Summer Ghost © KSM Anime, Koch Films
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